» Ein kleiner, kurzgefasster Artikel vom großartigen Arne Hoffmann über die Anforderungen eines Fotografen an uns Models «
Da die gute Neele gerade ein bisschen was um die Ohren hat, hat sie mich gefragt, ob ich nicht mal einen Gastartikel schreiben möchte – das Thema wäre frei. Schlauerweise hat sie aber doch auf nicht allzu unterschwellige Art deutlich gemacht, dass es vielleicht ganz interessant wäre mal aus Fotografensicht zu berichten, nach welchen Kriterien Models ausgesucht werden und welche Erwartungen ein Fotograf an die Mädels hat.
Da das Thema gar nicht so einfach und recht vielschichtig ist, finde ich es interessant und möchte einmal versuchen einen sowohl objektiven als auch subjektiven Einblick in solche Entscheidungen zu geben. Ich unterscheide dazu einfach mal in in Job und freie Arbeit / Test. Grundsätzlich sind wahrscheinlich Entscheidungen für Jobs und für freie Arbeiten recht unterschiedlich – zumindest unterstelle ich das jetzt mal dem leidenschaftlichen, professionellen Fotografen.
Ich denke die Entscheidung im Job ist meistens eher rational – bringt das Model den Ausdruck rüber, ist sie offen, kann sie überzeugen, kann sie sich bewegen etc. Ach ja und natürlich: stimmen die Maße, Haar- und Augenfarbe mit den Kundenwünschen überein. Das ist wohl so recht objektiv beschrieben und wird für die meisten Fotografen zutreffen – zumindest sollte es das für eine professionelle Arbeitsweise.
Kommen wir zu den freien Arbeiten – da erzähle ich jetzt einfach mal aus meinem subjektiven Empfinden – und hier wirds dann wohl interessant (Willkommen beim Ausflug in die Psyche eines Fotografen ^^). Egal wie toll einige Jobs auch sein können, freie Arbeiten sind doch immer etwas besonderes. Denn eigentlich sind sie es, die die Persönlichkeit des Fotografen zeigen, seinen Stil und seine fotografischen Vorlieben. Und dabei sind es nicht zuletzt die Models, die einen Großteil der Gesamtstimmung eines Bildes oder auch der gesamten Arbeit des Fotografen ausmachen.
Bei freien Arbeiten habe ich mir – meist im Team mit der Stylistin oder Visagistin – ein Thema überlegt. Dazu hat man dann einen bestimmten Modeltyp vor Augen, der zum Thema und den Klamotten passt z.B. dunkle lange Haare, kantiges Gesicht, lange Beine etc. Manchmal hat man schon konkrete Mädls im Kopf, die man vom „Sehen“ kennt, mit denen mal schon mal gearbeitet hat oder die man bei einem GoSee kennengelernt hat.
Falls nicht, geht man eben über die Agenturen und guckt sich dort um. Grundsätzlich sage ich aber, dass ich bei freien Arbeiten viel, viel lieber mit Leuten zusammenarbeite, die ich schon kenne oder zumindest vorher 1x live erlebt habe. Da ist eine gewisse Basis vorhanden, man weiss, wie die Mädls reagieren und auch wie man etwas aus ihnen rauskitzeln kann. Das ist natürlich seltener der Fall – daher ist es für mich immer wichtig, wenn Models offen, umgänglich und aufgeschlossen sind – dann braucht man gerade, wenn man sich nicht kennt, weniger Anlaufzeit. Aus diesem Grund zählt nicht nur ein tolles, markantes Gesicht und eine passende Figur, sondern auch die Persönlichkeit des Models – und nein, ich bin nicht bei ANTM oder irgendeiner Miss Wahl, wo man so auf die „Persönlichkeit“ pocht – ich meine ECHTE Persönlichkeit und nicht diese „Weltfrieden-Püppchen“. Um die political incorrectness mal zu erklären… das soll heissen, dass die Mädls gerne etwas durchgedreht sein dürfen oder auch schon schrill, zumindest aber müssen sie echten Spaß an dem haben, was sie machen. Bewegungen und Ausdrücke müssen authentisch und unverklemmt auf Bildern rüberkommen. Die Mädls (und Jungs natürlich) müssen sich ihrer selbst als Model in der Situation bewusst sein. Das heisst aber meiner Meinung nach auch, dass es ihnen klar sein sollte, dass sie nicht in jeder Millisekunde das perfekte Model sein müssen bzw. dürfen. Hochprofessionelles Auftreten und Kontrolle in jedem Moment mag bei einigen Jobs sicher gefordert und richtig sein – für emotionale, authentische Bilder sind aber genau die Momente wichtig, die den Menschen durchscheinen lassen. Wenn das Model Spaß am Shooting hat, es sich ein bisschen ausprobiert oder man einfach mal ein bisschen rumblödelt – das lockert nicht nur auf, sondern bringt auch manchmal die authentischsten Bilder hervor.
Ich selber liebe spontane Aktionen bei Testshootings. Viele Fotografen gehen an ihre Tests auch schon sehr durchdacht und geplant ran. Ich durchdenke und plane im Vorhinein zwar auch alles – das ist dann aber meist nur mein grober Leitfaden bzw. der Backup-Plan für das Shooting, so dass man trotzdem ein vernünftiges Ergebnis bekommt. Viel lieber mag ich es den Prozess zu nutzen, wie sich ein Shooting entwickelt – man lässt der spontanen Kreativität freien Lauf.
Damit bin ich dann auch schon bei meinen Erwartungen an ein Model. Auch wenn ich normalerweise kein Fan von „Schlagwörtern“ wie z.B. „Durchhaltevermögen“ bin – muss es nun aber trotzdem mal so zusammenfassen. Die obligatorischen Geschichten wie Pünktlichkeit, Gepflegtheit usw. erwähne ich mal gar nicht erst – meine Minimalerwartungen sind aber:
Offenheit für die Idee, auch wenn sie dem Model evtl. nicht gefällt, Umgänglichkeit, gutes Posing, das nicht nach 5 Posen erschöpft ist, eine starke Mimik / Ausdruck und bitte auch nicht nur immer den selben, keine Allüren, kein Rumgezicke – im Endeffekt alles das, was zum Standart-„Handwerkszeug“ eines Models gehört + normale Softskills. Aber da minimal nicht gut ist, erwarte ich eigentlich auch noch: Experimentierfreude – bzw. eine gewisse Kreativität auf Seiten des Models (z.B. ungewöhnliche Posen ausprobieren etc.), Vorstellungskraft für die Situation, Kommunikation mit dem Team – kein stupides „abarbeiten“ des Tests, Durchhaltevermögen, Begeisterungsfähigkeit, echte Emotionen und wirklichen Spaß an der Arbeit – die Models sollten wirklich in ihrem Job aufgehen – ums kurz zu sagen: Leidenschaft.
Das alles klingt jetzt sehr theoretisch – ist im Endeffekt aber bei vielen Models schon erfüllt. Wer mit Leidenschaft, Niveau und Spaß dem Modeln nachgeht, sollte damit keine Probleme haben.
Ohne jetzt irgendwie Druck aufbauen zu wollen, Neele – aber jetzt weisst Du ja, was Dich bei mir erwarten könnte, wenn Du wieder in Hamburg bist :-P
Lieber Arne, ich nehme die Herausforderung an! ;) Danke für den Einblick in deine Arbeit.
Super :)
Ein toller Artikel! Sehr interessant alles mal aus der Sicht eines Fotographen zu sehen.
Die Fotos sind echt wirklich gut! :)